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Denkmaldatenbank Schleswig-Holstein


ehem. Gewerkschaftshaus
Kreis:Flensburg
Gemeinde:Flensburg, Stadt
PLZ:24939
Straße:Schloßstraße 44 - 46
Art des Denkmals:Sozialbauten
Funktion des Denkmals:Gewerkschaftshaus
Objektnummer:20091




>Link zur DenkmalkarteMaßstab 1:1100

Kurzbeschreibung:
ehem. Gewerkschaftshaus; 1911-12, Architekt Carl Voß; dreigeschossiger traufständiger Backsteinbau mit Mansarddach, Erdgeschoss mit Bossenblendmauerwerk, reiche historisierende Putzgliederung mit figürlicher Stuckzier, asymmetrisch verteilte Erker mit Doppel- und Schweifgiebelabschlüssen


Beschreibung:
Das ehemalige Gewerkschaftshaus wurde 1911-12 nach Plänen des Architekten Carl Voß errichtet. Das heute als Wohnhaus mit gewerblicher Einrichtung genutzte Gebäude ist ein breitgelagerter dreigeschossiger Backsteinbau unter einem Mansarddach. Die Straßenfassade ist mit vielfältigen Gliederungselementen in asymmetrischer Aufteilung versehen und wird durch den Kontrast des Backsteinmauerwerks zu dekorativ verteilten Putzflächen und Stuckzierrat belebt. Über dem mit Bossenmauerwerk verblendeten, durch Modernisierungen veränderten Erdgeschoss mit der aus der Mitte verschobenen einstigen Durchfahrt zum Hof sitzen im ersten Obergeschoss breite gerahmte Fenster, die in den äußeren Achsen dreieckige Giebelverdachungen mit Köpfen und Symbolen besitzen. Darüber liegt ein auf Konsolen ansetzender, flach ausgebildeter breiter Erker von zwei Geschossen, der etwa die Mitte der gesamten Front einnimmt und von einem hohen Doppelgiebel abgeschlossen ist. Ihm wiederum ist an der rechten Seite ein schmaler Kastenerker mit Schweifgiebel vorgelegt, der seinerseits über einem polygonalen Fenstererker im ersten Obergeschoss aufsteigt. Die Erkerbrüstungen im unteren Geschoss tragen eine Inschrift: GEWERKSCHAFTSHAUS. Im oberen Geschoss befinden sich von Blattwerk umgebene Wappenschilde mit Symbolen der Gewerke. Die linke Achse mit dem Eingang wird als flacher Risalit in drei Geschossen und mit abschließendem geschweiftem Zwerchgiebel ausgebildet. Im Inneren des Gewerkschaftshauses hat sich ein repräsentatives Treppenhaus mit Fliesen, vermutlich Kieler Keramik, erhalten. Das ursprünglich mit verschiedenen Läden, einer Gastronomie sowie Büros, Sälen und Wohnungen ausgestattete Haus ist heute zu Wohnzwecken umgebaut. Im rückwärtigen Bereich zu der früheren, nicht erhaltenen Gartenanlage hin ausgerichtet, liegt ein zweigeschossiger Saalbau, dessen Fassade durch sieben Achsen mit einer großzügigen Durchfensterung geprägt wird. Markant wird die Gebäudeecke durch einen Schornstein abgeschlossen. Die bauzeitlichen Sprossenfenster, die als wesentliches Gestaltungselement die Fassaden mit bestimmten, sind in beiden Gebäuden weitgehend verloren.
Ende der 1890er Jahre wurde der Beschluss zum Bau eines Gewerkschaftshauses in Flensburg gefasst. Als erforderliches Kapital waren 630 000 Mark angesetzt, die durch freiwilligen Markenkauf aufgebracht werden sollten. Zudem gründete man eine Gewerkschaftshaus GmbH mit 20 Gesellschaftern, die mit der Vorbereitung betraut wurden. 1907 konnten drei nebeneinanderliegende Grundstücke entlang der Schloßstraße für 85 000 Mark gekauft werden und 1908 schließlich wurden die Baupläne des Architekten Carl Voß, der in Kiel bereits 1904-1907 das Gewerkschaftshaus gebaut hatte, genehmigt. Die Einweihung des Hauses wurde am 30. Juni 1912 gefeiert. In den kommenden Jahren bezogen die verschiedenen Gewerkschaften hier ihre Arbeitsräume und auch die SPD richtete 1918 hier ihre Geschäftsstelle ein. Während des Ersten Weltkrieges diente das Gewerkschaftshaus als Reservelazarett. In der Weimarer Republik wieder als Gewerkschaftshaus genutzt, wurde das Haus im April 1933, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, von der Polizei besetzt und schließlich geschlossen. Gleichzeitig wurde die Gewerkschaftshaus GmbH enteignet und das Haus der Deutschen Arbeitsfront übergeben. Nach 1945 musste der neugegründete Gewerkschaftsausschuss das Haus zurückmieten, bis es 1950 in den Besitz des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB überging. Bis 1973 nutzte dieser das Haus. Doch wegen eines Neubaus in der Roten Straße wurde das alte Gewerkschaftshaus im alten Arbeiterviertel Duborg aufgegeben.
Das erste Flensburger Gewerkschaftshaus dokumentiert, trotz der inzwischen vorgenommenen Veränderungen im Haus, die Geschichte der Gewerkschaften in Flensburg bis 1973 und damit verbunden die Geschichte der Arbeiterbewegung seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Dies begründet seinen besonderen zeit- und sozialgeschichtlichen Wert. Die Verpflichtung des Architekten Carl Voß ist im Zusammenhang mit dessen früherem Bau in der Kieler Legienstraße zu sehen. Carl Voß (1850-1937) aus Burg auf Fehmarn hatte sich mit verschiedenen öffentlichen Bauten, darunter auch das Rathaus in Burg auf Fehmarn einen Namen gemacht. In Kiel war er zudem im Bereich des gehobenen Wohnungsbau tätig, während er in Flensburg keine weiteren Bauten errichten konnte. Nachdem er zuächst vor allem im Heimatschutzstil baute und sich u.a. durch Publikationen im schleswig-holsteinischen Landesverein für Heimatschutz engagiert hatte, zeigte er sich in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts gegenüber den Einflüssen des Jugenstils offen. Im Flensburger Bau führte er den traditionellen Backsteinbau mit floralen und symbolischen Schmuckelementen sowie mit Einflüssen niederländischer Bürgerhäuser der Renaissance zusammen. Die Bauten, so auch das Flensburger Gewerkschaftshaus, weisen durch eine Vielfalt von Schmuck- bzw. Stuckelementen, Vor- und Rücksprüngen, Erkern, Giebeln und Verdachungen eine hohe Plastizität der Fassaden auf, die unmittelbar in den Stadtraum wirken. Das Repräsentative dieser Fassade - wie auch im Kieler Gegenstück - verweist auf das erstarkende Selbstbewusstsein der Gewerkschaften um die Jahrhundertwende, die in Flensburg u.a. auf die starke Gruppe der Beschäftigten im Schiffsbau fußte. Dies begründet seine städtebauliche Bedeutung, die zudem im Kontext der Wohnbebauung der westlichen Schloßstraße zu sehen ist. Die qualitätvolle Ausstattung, die sich im Treppenhaus und im Saal des Gewerkschaftshauses erhalten hat, ist ebenfalls von besonderer baukünstlerischer Bedeutung.
Die resultierenden besonderen geschichtlichen (hier stadt-, sozial- und baugeschichtlichen), künstlerischen und städtebaulichen Denkmalwerte begründen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Erforschung des Objektes.


Auszug aus der Denkmaltopographie:
Ehemaliges Gewerkschaftshaus, errichtet 1911/12 von Carl Voß, Kiel. Heute Wohnhaus mit gewerblicher Nutzung. Breitgelagerter dreigeschossiger Backsteinbau unter Mansarddach. Straßenfassade mit vielfältigen Gliederungselementen in asymmetrischer Aufteilung, belebt durch den Kontrast des Backsteinmauerwerks zu dekorativ verteilten Putzflächen und Stuckzierrat. Über dem mit Bossenmauerwerk verblendeten, durch Modernisierungen veränderten Erdgeschoss mit der aus der Mitte verschobenen einstigen Durchfahrt zum Hof im ersten Obergeschoss breite gerahmte Fenster, die in den äußeren Achsen dreieckige Giebelverdachungen mit Köpfen und Symbolen besitzen. Darüber auf Konsolen ansetzender, flach ausgebildeter breiter Erker von zwei Geschossen, der etwa die Mitte der gesamten Front einnimmt und von einem hohen Doppelgiebel abgeschlossen ist, ihm wiederum an der rechten Seite vorgelegt ein schmaler Kastenerker mit Schweifgiebel, der seinerseits über einem polygonalen Fenstererker im ersten Obergeschoss aufsteigt. An den Erkerbrüstungen im unteren Geschoss Inschrift GEWERKSCHAFTSHAUS, im oberen Geschoss von Blattwerk umgebene Wappenschilde mit Handwerkssymbolen. Linke Achse mit dem Eingang als flacher Risalit von drei Geschossen und abschließendem geschweiften Zwerchgiebel ausgebildet.
(Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmale in Schleswig-Holstein, Stadt Flensburg, 2001)


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